BERICHT VON DER US BUCHMESSE 2019

Bericht von einem Besuch bei der New Yorker Buchmesse

 

von Alexander Günsberg

 

Vom 27. bis 29. Mai 2019 fand die New York Book Expo und im Anschluss daran vom 30. bis 31. Mai die New York Book Con statt. Ähnlich wie bei der Frankfurter Buchmesse sind die ersten drei Tage dem Fachpublikum vorbehalten, während die letzten beiden jedem zugänglich sind, der gewillt ist, 90 Dollar Eintritt zu bezahlen. Der Glaspalast des Jakob Javits Convention Centers am Hudson River, von den Glitzerreklamen des Times Square zu Fuß zwischen den Wolkenkratzern durch in einer guten halben Stunde erreichbar, bot den würdigen Rahmen für die große US-Buchmesse. Wer mit den Verhältnissen in Manhattan nicht vertraut ist, dem sei gesagt, dass allein die 2006 durchgeführten Umbauarbeiten des Ausstellungsgebäudes 1,7 Milliarden Dollar gekostet haben, ein einziges Reklamefeld am Times Square mit bis zu 1 Million Dollar pro Tag zu Buche schlägt und eine 3½-Zimmer-Wohnung in einem der neuen Hochhäuser nicht unter 7,5 Millionen Dollar zu haben ist. Dementsprechend sind in Manhattan auch die Preise der Restaurants, Hotels, Taxis und der Musical-Theater. Für ein gutes Mittagessen zu zweit legt man schon mal 400 Dollar auf den Tisch, ebenso viel für eine Übernachtung in einem der 1700 winzigen Uralt-Zimmer des Pennsylvania-Hotels neben dem Warenhaus Macy’s, das alle europäischen Vorstellungen von Größe sprengt. Für eine Taxifahrt bei Regenwetter um zwei Blocks herum verlangt der Fahrer, ohne mit der Wimper zu zucken, 80 Dollar und spuckt vor einem aus, wenn man dazu weniger als 20 Dollar Trinkgeld gibt. Für den billigsten Platz einer Vorstellung von King Kong oder The Lion King, von dem aus man das Geschehen akustisch und optisch halbwegs verfolgen kann, muss man mit 400 bis 600 Dollar rechnen. Wenn man mit den auf der Straße verteilten Zetteln, auf denen mit einem Preis von 57 Dollar geworben wird, zum Ticket-Office kommt, wird man ausgelacht oder abgewimmelt. Entweder heißt es, diese Plätze seien ausverkauft oder der Verkäufer sieht einen voller Verachtung an und sagt, man solle nicht so blöd sein, einen billigen Platz ganz oben oder hinter einer Säule zu nehmen. Der im Mickey Mouse Stil einer italienischen Kleinstadt nachempfundene Stadtteil Little Italy macht da keine Ausnahme. Für einen Teller Spaghetti, serviert von einem Puertoricaner, der kein Wort Italienisch versteht, werden 30 Dollar verlangt, ein Deziliter Chianti im Zahnputzglas kostet 15 Dollar.

 

Da wir jedoch nicht zum ersten Mal in den Big Apple kamen, wussten wir über diese Dinge Bescheid, logierten in einem kleinen, sauberen und preiswerten Hotel in Queens, benutzten die Subway als Fortbewegungsmittel und speisten in einfachen, aber umso besseren Steak- und Burger-Lokalen in Williamsburg oder Harlem. Damit wurde unser Portemonnaie nicht allzu sehr strapaziert, wir kamen rasch überall hin und machten noch dazu die unglaublichsten Bekanntschaften. Ein Literaturprofessor, ein Verleger und ein bekannter Maler waren unter den Leuten, mit denen wir in der U-Bahn und in den Restaurants und Bars ins Gespräch kamen. New York ist eine Schlaraffenstadt, wenn man weiß, wo man hingehen muss und sich nicht scheut, die Menschen anzusprechen. New Yorker sind von Natur aus gesprächsfreudig und offenherzig. Man bekommt die erstaunlichsten Dinge zu hören und schließt Freundschaften, die länger halten, als man denkt.

 

Sicher werden Sie jetzt fragen, von wem hier überhaupt die Rede ist. Nun, ich selbst hatte an der letztjährigen Frankfurter Buchmesse das Glück, von einem US-Verleger angesprochen zu werden. Er bat mich, 5 meiner Bücher auf Englisch, Russisch, Spanisch und Portugiesisch herausbringen zu dürfen. Auch Schriftsteller erleben manchmal Wunder. Der gute Mann, Inhaber des Adelaide-Verlags, lud mich dazu noch zu Lesungen, Buchsignaturen und Medienveranstaltungen nach New York ein. Begeistert hatten ihn mein Roman Die Akte Eisenstadt und meine Berichte von Überlebenden des Holocaust mit dem Titel Was die Väter erzählten, die vom Berliner Verlag Hentrich & Hentrich auf der Messe vorgestellt worden waren. So machte ich mich denn mit meinen Illustratoren Alexander Pavlenko und Astrid Saalmann, meiner Frau und einigen treuen Lesern meiner Bücher auf den Weg. Der Messestand war von beeindruckender Größe und ich fand mich als einziger ausländischer Schriftsteller des Verlags mit so bekannten US-Autoren wie David Berner, John Casey und Susan Pollet wieder. Der Verleger wusste, wie man Bücher bekannt macht, nämlich durch Verschenken! 2500 waren im Nu weg. Unser Stand war aber nicht nur deshalb einer der bestbesuchten. Leser und Journalisten bestürmten uns.

 

Meine Romane und Erzählbände (Mischa Turow, The Eisenstadt File, Vexiere Dances, Jewish Love Stories und Jewish Stories) machten Furore, auch wenn mir die Übersetzungen nicht immer gefielen. Bei den Lesungen in der KGB-Bar (Kommunismus-Nostalgie mitten in New York!), im Poet’s House und in der legendären Buchhandlung Strand musste ich aus dem Stegreif korrigieren. Niemand bemerkte es. Bei den anschließenden Diskussionen kamen Themen zur Sprache, die wir Europäer nicht erwartet hätten, genauso wenig wie die Positionen, die dabei vertreten wurden. Angeprangert wurden vor allem der wiedererstarkende Antisemitismus in Europa und die Unfähigkeit der Europäer, den Gefahren entschlossen zu begegnen, die vom Islamismus ausgehen. Immer wieder hörten wir Vergleiche mit der Zeit der Dreißigerjahre des 19. Jahrhunderts, als der Nationalsozialismus verharmlost worden war. Aber auch Trump bekam seinen Teil ab. Es war deutlich zu spüren, dass New York eine Hochburg der Demokraten ist.

 

 

Abgerundet wurde unser Aufenthalt in New York mit Besuchen in der Bronx, von Galerien und Kunstmuseen und einer Kommunionsfeier im einem der ältesten Gotteshäuser der Stadt, der Central Synagogue, einem eindrücklichem Bau im maurischen Stil in der 7th Avenue. Gerade dieser ging ans Herz. Es handelt sich um eine jüdische Reformgemeinde, in der die Männer keine Kopfbedeckung tragen, neben den Frauen stehen und Rabbinerinnen herrliche Lieder über Nächstenliebe und Menschenwürde mit Gitarrenbegleitung vortragen. In unserer sechsköpfigen Besuchergruppe war ich der einzige Jude. Aber auch bei den meisten anderen handelte es sich um christlich-jüdische Paare, von denen es in den USA 10 Millionen geben soll. Das ist aber nichts im Vergleich zur Zahl russischsprachiger Leser. Angeblich beträgt sie 30 Millionen. Genauso viele Bücher hat der amerikanische Autor Scott Turow verkauft. Auffallend ist die Namensgleichheit mit meiner Romanheldin Mischa Turow. Unser gemeinsamer Freund David Berner wird nächstes Jahr ein Treffen arrangieren.

 

Wer mitkommen will, schreibt an info@alexander-guensberg.com. Meine Bücher, Fotos und Presseberichte finden sie unter www.alexander-guensberg.com. Jede Zuschrift freut mich und wird beantwortet, auch wenn ich bis 5 Uhr früh damit zu tun habe!