SATIREN UND GLOSSEN

Die Abstimmung über die Bildung eines Weltstaates

Zugetextet.com 6.8.2020

 

Nun endlich steht die Abstimmung in der UNO-Vollversammlung an. Nachdem so lange über den Weltstaat debattiert und gestritten worden war, nachdem die Einzelheiten in jahrelangen Verhandlungen festgelegt worden waren, sitzen die Menschen aller Länder in gespannter Erregung vor den Fernsehschirmen. Die Ansprachen der Staatschefs stehen an. Darauf wird die Abstimmung folgen, die alle Kriege beenden, gleiche Gesetze für alle und das Verbot jeglicher Diskriminierung bringen soll. Wird sie angenommen, so soll sich das Angesicht der Erde radikal verändern. Von nichts anderem wurde in den letzten Tagen und Monaten gesprochen. Keine Zeitung, die nicht darüber berichtet hätte, kein TV-Kommentator, der sich nicht in höchsten Tönen darüber ergangen wäre, von Tokio bis Paris, von Spitzbergen bis Feuerland, von Jerusalem bis Peking und von Los Angeles bis Moskau. Die Billionen, die bisher in die militärische Rüstung gesteckt wurden, sollen für die Ausmerzung der Armut, für Bildung und Forschung, Kultur, Gesundheitswesen und die wirtschaftliche Entwicklung unterentwickelter Regionen verwendet werden. Welche Aussicht für den seit Jahrtausenden geschundenen Planeten!

Der Plan sieht eine Weltregierung vor, die in der neuen Welthauptstadt Antanarivo auf Madagaskar beheimatet sein soll. Jeder Kontinent wird fünf Minister stellen. Der Präsident wird von einem Gremium gewählt, das aus den Vorstehern sämtlicher Universitäten der Erde besteht. Religionen bleiben erlaubt. Sie müssen aber die Diskriminierung Andersgläubiger aus ihren Programmen und Büchern streichen, auf aktive Missionierung verzichten und sich der Einmischung in die Politik enthalten. Das Militär wird auf das notwendige Minimum zur Bewahrung des Friedens beschränkt. Privater Waffenbesitz wird verboten. Die Verbreitung von Lügenpropaganda und Verschwörungstheorien und die Aufhetzung der Bevölkerung gelten als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und werden mit lebenslanger Verbannung von der Erde bestraft. Die Verurteilten werden in eine Gefängniskolonie verbracht, die auf dem Mars eingerichtet werden soll. Die Ländergrenzen und die Autonomie der bisherigen Staaten auf der Erde werden aufgehoben. Jedes Volk und jede Region, deren Bewohner über ein Zusammengehörigkeitsgefühl verfügen, erhält den Status einer selbstverwalteten Provinz. Über die Einhaltung der von der Weltregierung beschlossenen Gesetze wacht ein von ihr eingesetzter, unabhängiger und provinzfremder Gouverneur. Werden sie in krasser Weise missachtet oder kommt virulenter Nationalismus auf, so kann er die Verhaftung der Schuldigen anordnen, im äußersten Fall den Einsatz des Weltmilitärs beantragen. In Staaten, in denen gegenwärtig mehrere Völker oder Gemeinschaften in Streit miteinander leben, werden denjenigen, die sich zahlenmäßig in der Minderheit befinden, neue Provinzen in menschenarmen Gebieten der Erde zugewiesen. Die Kosten für Umsiedlung, Urbanisierung und Fruchtbarmachung von Ödland trägt die Weltregierung. Dieser werden sämtliche Guthaben der Staaten überwiesen. Staatliche Schulden werden gestrichen. Die Gläubiger werden dafür von der Weltregierung entschädigt. Das Geld wird abgeschafft und durch ein Bonus-Malus-System ersetzt. Das Recht auf Ausbildung, Arbeit und lebenswerte Existenz wird eingeführt. Jedem Menschen steht medizinische Versorgung und ein regelmäßiger Grundbonus zu, den er durch Arbeit erhöhen kann. Über die gerechte Verteilung der Boni und Mali wacht die Weltregierung. Provinzen, die Hunger und Armut zulassen, werden bestraft. Firmengründer, Wissenschaftler, anerkannte Kulturschaffende, Spitzensportler und andere Koryphäen, die der Menschheit besonders nützlich sind oder sie begeistern, erhalten Sonderboni. Das neue politische und soziale System ist der Justizianismus. Es löst alle bisherigen Regierungs- und Gesellschaftsformen ab.

Die Spannung nähert sich dem Höhepunkt. Das Gemurmel im großen Rund des Glaspalastes am Hudson River in New York verstummt. Der Präsident Russlands schreitet als Erster ans Rednerpult. Seine Redezeit ist wie die aller anderen Staatslenker auf zwei Minuten beschränkt, um jeden zu Wort kommen zu lassen. Die Kameras der Welt sind auf ihn gerichtet. Bedeutsam blickt er sich um. Leise und scheinbar emotionslos, wie es seine Art ist, spricht er ins Mikrophon:

„Meine Damen und Herren“, beginnt er, „heute entscheidet sich die Zukunft der Menschheit. Als Vertreter des größten Landes der Erde bin ich bereit, auf unsere staatliche Unabhängigkeit zu verzichten, um Platz für eine Weltordnung zu machen, in der es keine Ungerechtigkeit und keinen Krieg mehr geben soll. Wie Sie alle wissen, hat Russland an vorderster Front für die Idee des Justizianismus geworben. Jetzt wollen wir ihr zum Durchbruch verhelfen. Sie ist nichts anderes als das, was sich seinerzeit der Gründer der Sowjetunion als Endziel vorgestellt hatten: Glück, Frieden und Gerechtigkeit für alle Menschen der Erde. Er stellt die Verwirklichung des Kommunismus dar. Bei der nun folgenden Abstimmung steht nicht weniger als das Wohl der Menschheit auf dem Spiel. Bedenken Sie das, wenn sie Ihre Stimme abgeben. Mit einem Ja votieren Sie nicht gegen Ihren Staat, sondern für Ihre Bürger. Ich danke Ihnen und vertraue auf Sie.“

Unter donnerndem Applaus schreitet er von der Rednerbühne. Der Präsident Chinas, ein schwergewichtiger Mann mit immerwährendem Lächeln auf den Lippen, das alles und nichts sagt, erhebt sich von seinem Platz in der vordersten Reihe. Im Vorbeigehen schüttelt er seinem russischen Amtskollegen die Hand. Am Rednerpult angekommen, winkt er den versammelten Großen der Welt zu, zieht das Mikrophon näher zu sich und spricht mit seiner bekannten Fistelstimme hinein:

„Russland ist das flächenmäßig größte Land der Erde, China aber hat bei weitem die größte Bevölkerung aller Staaten. Aber nicht nur an das Wohlergehen unserer Bewohner denke ich, wenn ich Sie ebenfalls auffordere, mit Ja zu stimmen. Mao Tse Tung, der vielleicht bedeutendste Politiker, der je gelebt hat, hatte nichts anderes im Sinn, als alle Menschen glücklich und arbeitend zu sehen. Er war der eigentliche Begründer des Justizianismus, auch wenn er das Wort nicht gekannt und nicht gebraucht hat. Menschen wie er sind ihrer Zeit voraus und schaffen Dinge, deren Wert erst viel später erkannt wird. Ich bin sicher, dass nur ganz wenige hier im Saal die Zustimmung verweigern werden. Sie aber bitte ich, ihre Haltung zu überdenken. Wer von ihnen möchte in der Geschichte als der dastehen, der den Weltstaat und die umfassende Gerechtigkeit auf der Welt verhindert hat? Danke, dass Sie mir zugehört haben und das Anliegen unterstützen.“

Er hebt den Daumen und lächelt, wie man es von ihm gewohnt ist. Auch ihm brandet Applaus entgegen. Nun ist die Reihe am Präsidenten Frankreichs, einem jungen Mann, der wie eine Mischung aus Bänker und Sportler wirkt. Federnden Schrittes geht er auf die Bühne. Auch seine Stimme ist hoch, aber viel schneidender als die seiner beiden Vorredner:

„Bürger der Welt“, beginnt er theatralisch, „Frankreich ist nicht so groß wie Russland oder China, aber es ist die Grande Nation. Revolutionen und Neuerungen sind wir ebenso gewohnt wie kulturelle Höchstleistungen Unendlich lang ist die Liste der Männer und Frauen Frankreichs, die der Welt Werke und Gedanken von ewigen Wert gegeben haben. Von Maximilien de Robespierre bis de Charles de Gaulle, von Jean Juvénal über Marguerite de Naval, Pierre Corneille, Jean de La Fontaine, Montesquieu, Rousseau, Diderot, Madame de Staël, Honoré de Balzac, Victor Hugo, Georges Sand, Gustave Flaubert, Emile Zola, Anatole France, Guy de Maupassant, Verlaine und Rimbaud, Jules Renard, Jean Girardoux, François Mauriac und Marcel Pagnol bis hin zu Jean-Paul Sartre, Samuel Beckett, Simone de Beauvoir, Simone Weil, Albert Camus, Marcel Proust, Max Gallo, …“ 

Der Generalsekretär der UNO, der die Versammlung leitet, seines Zeichens vormaliger Ministerpräsident Portugals, bekannt für Witz und Schlagfertigkeit, sieht auf die Uhr, unterbricht ihn:

„Monsieur le Président“, sagt er auf Französisch, „wenn Sie alle Franzosen aufzählen, die je gelebt haben, fällt nicht nur die Abstimmung ins Wasser, sondern auch unser Abendessen. Wollen Sie am Ende den französischen Wein verpassen, den wir bestellt haben?“

Allgemeines Gelächter antwortet ihm. Der Franzose, leicht indigniert, räuspert sich, lässt sich aber in seiner Lobrede auf Frankreich und seine großen Söhne und Töchter nicht beirren:

„Gut, dann mache ich schnell“, fährt er fort: „Bedenken Sie aber bitte auch Marguerite Duras, Jean Genet, Eugène Ionescu, André Malraux …“

Der Rest geht im Gebrüll unter. Die Leute können sich vor Lachen nicht mehr halten. Kopfschüttelnd, ohne die restlichen Dichter und Philosophen des Hexagons an den Mann beziehungsweise die Frau bringen zu können, verlässt der Franzose das Rednerpult. Der Vorsitzende hat Mühe, die Ruhe im Saal wiederherzustellen. Mehrmals muss er aufs Mikrophon klopfen und um Aufmerksamkeit für die deutsche Kanzlerin bitten, die nach vorne geht. Sie wirkt wie eine gutmütige Großmutter in einem Kleid aus einem Second Hand-Laden, die niemand ein Haar zu krümmen imstande ist.

„Deutschland ist das Land der Dichter und Denker“, sagt sie mit einem Blick auf den Franzosen, „ich will aber nur Goethe, Schiller, Mendelssohn und Kant erwähnen, um zum eigentlichen Thema zu kommen, den Weltstaat, dessen Gründung wir heute beschließen wollen. Ich kann Sie nur auffordern, den Antrag zu unterstützen. Er wird die Wiederholung dessen verhindern, was im letzten Jahrhundert von irregeleiteten Deutschen ausgegangen ist. Denn wir hatten nicht nur große Dichter und Denker, sondern auch große Verbrecher und Massenmörder. Nie mehr dürfen solche Menschen die Macht ergreifen, einen Weltkrieg entfesseln und Millionen wegen ihrer Rasse und Religion verfolgen und töten. Darum stimmen Sie bitte dem Antrag zu.“

Das Klatschen will nicht enden. So eine Rede hätte man von einer Deutschen nicht erwartet. Aber das Deutschland von heute ist nicht mehr das Deutschland von gestern. Heute sitzen die Übeltäter in anderen Teilen der Erde. Werden sie dem Antrag zustimmen?

Nun ist die Reihe am saudischen Prinzen, der seinen kranken Vater vertritt. Im wallenden Gewand, weiß wie die Unschuld seiner Frauen, die rote Kefieh auf dem Haupt, rauscht er durch die Reihen. Als Einzigem winkt er dem israelischen Ministerpräsidenten zu, sehr zum Missfallen gewisser anderer Araber. Aber auch da haben sich die Zeiten geändert.

„Salam aleikum“, wirft er ins Publikum. „Friede mit Euch allen! Saudi-Arabien ist ein großes Land mit uralter Geschichte. Manche behaupten, unsere Vorfahren wären Juden gewesen. Wie auch immer, heute sind wir die Hüter des Islam und beherbergen die heiligen Stätten in Mekka und Medina. In Zukunft aber sollen der Islam und unsere Schwesterreligionen, das Judentum und das Christentum, Privatsache jedes Menschen sein. Juden werden in Mekka und Rom beten, Christen in Medina und Safet, Moslems in Jerusalem und Assisi. Keiner soll mehr Steine auf den anderen werfen, keiner sein Gewehr auf den anderen richten. An unseren Pferde- und Kamelrennen werden Moslems, Juden und Christen teilnehmen und im ehrlichen Wettstreit den Sieger ermitteln. Unser Öl wird der ganzen Welt Reichtum bringen und unsere Dichter werden die Schönheit der Frauen auf der ganzen Welt besingen. Darum sage ich Ihnen: Stimmen Sie dem Antrag zu.“

Fäuste recken sich ihm entgegen, während andere aufstehen und die Rede des jungen Arabers bejubeln. Vieles ist heute anders als sonst in der UNO. Die Ansprachen der Deutschen und des Saudis haben Sand ins Getriebe der Räder gestreut, die sie bisher am Laufen gehalten haben. Die Maschinen der Ewiggestrigen geraten ins Stocken.

Endlich erhebt sich der amerikanische Präsident. Die Augen der Welt sind auf ihn gerichtet. Wird er weiterhin die israelische Position im Nahostkonflikt unterstützen? Das noch vorne gekämmte, weit aufgerichtete Blondhaar auf dem Kopf des großgewachsenen Mannes lässt ihn schon von weitem als einen der Mächtigen der Welt erkennen, vielleicht sogar als den Mächtigsten von allen. In Europa hassen ihn viele. Amerika ist gespalten. Für die einen ist er der Messias, der das Land aus der Wirtschaftskrise und zu neuer Stärke geführt hat, für die anderen ein Schandmaul, das das Ansehen der USA in der Welt beschädigt hat. Jubel, aber auch Pfiffe begleiten seinen Gang aufs Podium. Nach der Begrüßung kommt er ohne Umschweife auf sein außenpolitisches Lieblingsthema zu sprechen:

„Das Beste an dem ganzen Plan ist“, sagt er in seiner gewohnt direkten Art, die so mancher als undiplomatisch bezeichnet, „dass der Palästinakonflikt endlich gelöst wird. Die arabische Minderheit in Israel bekommt ein eigenes Land, dass drei Mal so groß wie Israel ist und die Extremisten werden auf den Mars geschickt, wenn sie mit ihrer Agitation und ihren Hassreden weitermachen. Es ist Zeit für Frieden und Ausgleich. Da die Nationalstaaten ausgedient haben, kann niemand mehr den staatenlosen Arabern unbesiedeltes Land verwehren. Wie sie alle dem Plan entnommen haben, ist es bereits ausgesucht. Mit nur einem Bruchteil der Gelder, die ab sofort von den aufzulösenden Streitkräften aller bisherigen Staaten freiwerden, schaffen wir den neuen Bewohnern ein Paradies auf Erden. Meine berühmten Vorgänger Lincoln und Jefferson wären stolz darauf gewesen. Wir alle können stolz darauf sein. Ich danke Ihnen, dass Sie mir zugehört haben und bin überzeugt davon, dass die erforderliche Neunzig-Prozent-Mehrheit bei der Abstimmung über die Gründung des Weltstaates erreicht werden wird.“

Nach ihm plädieren die Staatsführer Israels, Brasiliens, Österreichs, der Schweiz, Ungarns, Marokkos, Jordaniens, Japans und der allermeisten anderen Staaten für den Weltstaat. Dagegen wettern nur der Iran, Syrien, der Irak, Malaysia, der Libanon, Nordkorea, Venezuela, Kuba und Pakistan. Besonders scharfe Worte gebraucht der iranische Präsident. Er bezeichnet den Plan als eine zionistische Weltverschwörung gegen den Islam und fordert statt eines Weltstaates die Auflösung Israels. Seine Rede wird wie üblich als nicht ernst gemeint angesehen. Angesichts von 184 Ja-Voten gegen nur 9 Nein scheint der Ausgang der Abstimmung klar.

Nach der letzten Rede erklärt der Generalsekretär nochmals die Modalitäten der Abstimmung. Sie wird geheim durchgeführt, sodass niemand Repressalien zu befürchten haben wird. Wie der US-Präsident bereits erwähnt hat, ist zur Annahme des Antrags eine Mehrheit von neunzig Prozent erforderlich. 174 Staaten müssen zustimmen. Auf der ganzen Welt knallen schon jetzt die Sektkorken. Die Menschen tanzen vor den Fernsehschirmen, freuen sich auf das Ende aller Kriege und auf soziale Gerechtigkeit. 184 Staatschefs haben für ein Ja geworben, 10 mehr als benötigt. Nichts kann schiefgehen. Die messianischen Zeiten sind angebrochen. Die Abstimmung ist nur noch eine Formsache. Nicht nur in Berlin, Wien und Bern umarmt man sich, auch in Tunis, Bogota, Astrachan, Mexiko-City, Peking und fast allen anderen Hauptstädten des Erdenrunds. Die Nationalstaaten haben ausgedient. Es lebe der Weltstaat!

Spannung herrscht im Saal am Hudson River, als die elektronische Abstimmung beendet ist. Der Generalsekretär schaut auf den Bildschirm vor sich, auf dem das Resultat angezeigt wird. Ein eigenartiges Zucken ist in seinem Gesicht zu erkennen. Die Fernsehzuschauer halten es für ein Zeichen der Aufregung. Schließlich steht ein epochaler Wandel in der Menschheitsgeschichte bevor. Da ist ein kleines Zucken erlaubt.

Der Mann aus Portugal steht in diesen Sekunden im Mittelpunkt der Weltöffentlichkeit. Kaum einer auf dem Planeten, der seine Augen nicht auf ihn richtet. Die Mondlandung hat nicht so viel Aufmerksamkeit hervorgerufen. Er kritzelt etwas auf ein Blatt Papier, reicht es einem Mitarbeiter, der sich aufgeregt mit ihm entfernt. Dann nimmt er einen Schluck Wasser aus dem Glas, das neben dem Bildschirm steht. Als er ins Mikrophon krächzt, um zu prüfen, ob es funktioniert, kehrt absolute Stille ein. Man hätte die sprichwörtliche Nadel fallen hören können. Alle halten den Atem an. Keiner traut sich mehr, auch nur das kleinste Geräusch von sich zu geben. Niemand rutscht auf dem Stuhl herum, so aufgeregt er auch ist. Ist die Mehrheit von 174 Stimmen erreicht worden? Nur das interessiert die Staatslenker im Saal und die Menschen in allen Ländern der Welt.

„Hmhmm“, beginnt der Generalsekretär. „Ich gebe Ihnen das Resultat der Abstimmung bekannt. Mit Ja gestimmt haben 23 Staaten, mit Nein 130. Enthalten haben sich 21 Staaten. Damit ist der Antrag abgelehnt.

 

Das ist die Art, wie Menschheitsträume enden.

Alexander Günsbergs politische Satire

Ein ganz normaler Tag in der UNO

Bericht aus New York

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Diese Satire hätte in den ISRAEL-NACHRICHTEN erscheinen sollen. Der Inhaber der Internet-Zeitung droht mir mit einer Klage wegen Beleidigung und Verbreitung von Fake-News. Er will offenbar nicht, dass bekannt wird, dass er Autoren kein Honorar bezahlt. Das gibt Stoff für eine Satire im Gerichtssaal. Freut Euch darauf!
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Der gestrige Tag im UNO-Glaspalast am Hudson River war sieben Abstimmungen in der Vollversammlung gewidmet. Sechs davon wurden angenommen und als Resolutionen verabschiedet.

 

Als Erstes wurde ein Antrag Nordkoreas behandelt, Israel für die Einschränkung der Pressefreiheit zu verurteilen. Der Vertreter Nordkoreas führte als Beweis eine Mitteilung der Zentralen Koreanischen Nachrichtenagentur an. Ihr zufolge wurden dem Leiter der Agentur, dem nordkoreanischen Staatsekretär für Volksaufklärung, von den israelischen Behörden die Bezahlung des Flugtickets erster Klasse von Pjöngjang nach Tel Aviv, seines einmonatigen Aufenthalts im Jerusalemer King David Hotel und der Miete eines Wagens verweigert. Dabei hatte doch der Staatssekretär extra den günstigsten Rolls Royce gewählt, der nur mit 2000 Dollar pro Tag zu Buche schlug. Dazu kam, und das war fast noch schlimmer, die Weigerung des Küchenchefs, beim Interview die epochalen Leistungen des nordkoreanischen Präsidenten Kim Jong-un für den Weltfrieden herauszustreichen. Sein Land, ein Beispiel für Pressefreiheit und Friedensliebe, könne solche Affronts nicht hinnehmen. Der oberste Führer seines Landes, Präsident Kim Jong-un, hätte einen Wutanfall bekommen, als er beim Mittagessen davon hörte, und dabei fast den Minister für nationale Unterernährung erschlagen. Israel könne froh sein, dass dieser überlebt habe, wenn auch mit einem Auge weniger, erklärte der Vertreter Nordkoreas, sonst würde es auch noch wegen Totschlags angeklagt und hätte die Kosten des Begräbnisses und des zu Bruch gegangenen Meissen-Porzellans in Höhe von insgesamt 1,25 Million Dollar übernehmen müssen.

 

Bei der Verteidigungsrede des israelischen UNO-Botschafters verließen 150 der 193 Delegationen den Saal. Die anschließende Abstimmung, zu der sie wieder zurückkamen, ergab folgendes Ergebnis: 188 dafür, 1 Enthaltung (Jungferninseln), 4 dagegen (USA, Kanada, Australien, Israel). Die Jungferninseln wurden vom Generalsekretär für ihre unentschlossene Haltung gerügt. Es würde sich bei der nächstjährigen Beitragsbemessung entsprechend niederschlagen.

 

Als Zweites kam die Forderung Syriens aufs Tapet, Israel für die unmenschliche Behandlung und die Beraubung arabischer Hilfesuchender zu verurteilen. Der Vertreter Syriens erklärte, einem fünfundneunzigjährigen Syrer, der nach einem irrtümlichen Giftgasangriff der syrischen Truppen in ein israelisches Spital eingeliefert wurde, sei nach der Heimkehr ein rechter hinterer Backenzahn ausgefallen und er hätte bemerkt, dass sein erst wenig benütztes Taschentuch fehlte. Es handle sich um eine absichtliche Provokation Israels, herbeigeführt durch eine überhöhte Schmerzmittelgabe nach der Operation des Mannes. Araber seien Schmerzen gewohnt, führte er aus. Sie seien nicht solche Schwächlinge und Feiglinge wie die Juden. Diesen ginge es keinesfalls um medizinische Hilfe, sondern um den Zahnausfall arabischer Bürger und den Diebstahl arabischer Taschentücher.

 

Bei der Verteidigungsrede des israelischen UNO-Botschafters verließen 150 der 193 Delegationen den Saal. Die anschließende Abstimmung, zu der sie wieder zurückkamen, ergab folgendes Ergebnis: 188 dafür, 1 Enthaltung (Costa Rica), 4 dagegen (USA, Kanada, Australien, Israel). Costa Rica wurde vom Generalsekretär für seine unentschlossene Haltung gerügt. Es würde sich bei der nächstjährigen Beitragsbemessung entsprechend niederschlagen.

 

Als Drittes ließ der Vertreter des Libanon verlauten, Israel habe bei der völkerrechtswidrigen Sprengung der von der Hisbolla-Partei in dankenswerter Weise errichteten Verbindungstunnels zwischen dem Libanon und dem zionistischen Gebilde vier Maulwürfe, dreizehn Springmäuse, eine Blindschleiche und eine unbekannte Anzahl Regenwürmer getötet. Das sei eine krasse Missachtung des Tierschutzgesetzes seines Landes, das zu den fortschrittlichsten der Welt zähle. Erst vor einer Woche sei eine Erweiterung des Gesetzes beschlossen worden, nach der sogar der Verzehr lebender Hunde und Katzen verboten worden sei. Die Zionisten müssten für die grausame Ermordung der genannten Tiere in den Tunnels zur Verantwortung gezogen und verurteilt werden, damit sich solches nicht wiederhole. Auch hätten sie neue Tunnels nicht mehr zu beschädigen. Sie seien arabisches Eigentum und dienten nur der Völkerverständigung und dem Transport fast ungefährlichen Militärmaterials in zionistische Dörfer, wo sie als Geste der Freundschaft Kindern zum Spielen hätten übergeben werden sollen.

 

Bei der Verteidigungsrede des israelischen UNO-Botschafters verließen 150 der 193 Delegationen den Saal. Die anschließende Abstimmung, zu der sie wieder zurückkamen, ergab folgendes Ergebnis: 188 dafür, 1 Enthaltung (Vanuatu), 4 dagegen (USA, Kanada, Australien, Israel). Vanuatu wurde vom Generalsekretär für seine unentschlossene Haltung gerügt. Es würde sich bei der nächstjährigen Beitragsbemessung entsprechend niederschlagen.

 

Als Viertes kam das Begehren Pakistans an die Reihe, Israel für die unrechtmäßige Inhaftierung eines pakistanischen Staatsbürgers zu verurteilen und ihm die von den israelischen Behörden abgenommenen Baupläne für eine Urananreicherungsanlage in Islamabad zurückzugeben. Diese würde einzig der Verbesserung der Straßenbeleuchtung und der sicheren Stromversorgung von Hühnerställen, Rattenenthauptungs- und Zuchtfischanlagen dienen. Der Redner Pakistans betonte, es könne nicht länger hingenommen werden, dass Israel unschuldige Touristen bei der Einreise verhaftet und ihr Eigentum konfisziert. Er verlangte eine Entschädigungszahlung von 100 Millionen Dollar an die gemeinnützige Hamas-Stiftung in Gaza, die die Angehörigen der von Israel getöteten palästinensischen Freiheitskämpfer unterstützt. Zudem müsse Israel die Baupläne der Urananreicherungsanlage in Islamabad zurückgeben. Andernfalls könne diese nicht errichtet werden, die Ratten würden sich in der pakistanischen Hauptstadt unkontrolliert vermehren, es gäbe nicht genug Hühner für die Entourage des Staatspräsidenten und zu wenig Nachschub an Zuchtfischen für seine tierliebende Gemahlin.

 

Bei der Verteidigungsrede des israelischen UNO-Botschafters verließen 150 der 193 Delegationen den Saal. Die anschließende Abstimmung, zu der sie wieder zurückkamen, ergab folgendes Ergebnis: 188 dafür, 1 Enthaltung (Tuvalu), 4 dagegen (USA, Kanada, Australien, Israel). Tuvalu wurde vom Generalsekretär für seine unentschlossene Haltung gerügt. Es würde sich bei der nächstjährigen Beitragsbemessung entsprechend niederschlagen.

 

Als Fünftes gab die Forderung Katars zu heftigen Kontroversen Anlass, Israel wegen seiner Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien von der UNO auszuschließen. Katars Sprecher kam nicht weit, weil der Chef-Diplomat Saudi-Arabiens aufstand, zu ihm aufs Podium rannte und ihm die Faust ins Gesicht schlug. Es seien alles Lügen, schrie er und versetzte dem Katari Fuß- und Bauchtritte. Dieser wehrte sich und biss den Saudi in die Wange. Daraufhin entstand ein wüstes Getümmel auf dem Podium. Kataris, Saudis und hinzugeeilte Verbündete der beiden Lager, Palästinenser, Iraker, Iraner, Sudanesen, Somalis, Kuweitis, Omanesen und Abu Dhabesen lieferten sich eine Schlacht, bei der Haare ausgerissen, Rippen gebrochen und Zähne ausgeschlagen wurden. Nur an den verschiedenfarbigen Umhängen waren die Kämpfer auseinanderzuhalten. Der Saaldienst vermochte die wilde Schlacht nicht zu beenden. Erst als der israelische Botschafter auf die Bühne stieg und lauthals mit dem Eingreifen des Mossad drohte, beruhigten sich die Gemüter. Alle außer dem Katari, der seine Rede nicht beendet hatte, schleppten sich wieder zu ihren Plätzen. Der Katari, heftig atmend und nach Fassung ringend, gestand ein, dass er zu weit gegangen sei. Saudi-Arabien hätte den Verdacht der Zusammenarbeit mit Israel entkräftet und arabische Solidarität bewiesen. Dafür müsse Israel aber wegen der unerhörten Drohung mit dem Mossad aufs Schärfste verurteilt werden. Die Israelis hätten kein Savoir-vivre, meinte er, während er sich das Blut wischte und seinen verstauchten Fußknöchel massierte. Es ginge nicht an, die Vertreter friedliebender arabischer Staaten bei freundlichen Diskussionen derart anzugehen und zu bedrohen. Im Wiederholungsfalle müsse der Ausschluss aus der UNO beschlossen werden.

 

Bei der Verteidigungsrede des israelischen UNO-Botschafters verließen 150 der 193 Delegationen den Saal. Die anschließende Abstimmung, zu der sie wieder zurückkamen, ergab folgendes Ergebnis: 188 dafür, 1 Enthaltung (Panama), 4 dagegen (USA, Kanada, Australien, Israel). Panama wurde vom Generalsekretär für seine unentschlossene Haltung gerügt. Es würde sich bei der nächstjährigen Beitragsbemessung entsprechend niederschlagen.

 

Beim sechsten und letzten Tagesordnungspunkt machte der Botschafter Israels den Vorschlag, Schulen und Spitäler in Gaza und Ramallah zu errichten und die Wasserversorgung in beiden Städten zu verbessern, alles auf Kosten Israels. Er sprach vor fast leeren Rängen, denn wieder hatten 150 der 193 Delegationen den Saal verlassen. Nachdem er geendet hatte und die Delegationen wieder hereingekommen waren, ergriff der Vertreter Libyens das Wort. Er erklärte, man könne den Zionisten nicht trauen und ihr Vorschlag, der ihm schriftlich vorliege, ziele nur darauf ab, den Befreiungswillen der Palästinenser zu schwächen und Propaganda zu betreiben. Er machte den Gegenvorschlag, auf die Gebäude und Wasserleitungen zu verzichten, die Kosten hiefür aber Israel aufzuerlegen und sie an den Humanismus-Fonds der gemeinnützigen Hilfsorganisationen Fatah, Hamas und Hisbollah zu überweisen. Nur damit könne dem Frieden und der Bestrafung des Aggressors Israel wirklich gedient werden.

 

Bei der Verteidigungsrede des israelischen UNO-Botschafters verließen 150 der 193 Delegationen den Saal. Die beiden anschließenden Abstimmungen, zu der sie wieder zurückkamen, ergab folgendes Ergebnis: Vorschlag Israels: 4 dafür (USA, Kanada, Australien, Israel), 1 Enthaltung (Andorra), 188 dagegen
Vorschlag Libyens: 188 dafür, 1 Enthaltung (Andorra), 4 dagegen (USA, Kanada, Australien, Israel). Andorra wurde vom Generalsekretär für seine unentschlossene Haltung gerügt. Es würde sich bei der nächstjährigen Beitragsbemessung entsprechend niederschlagen.

 

Nach der Versammlung hatte unser Berichterstatter Gelegenheit, dem deutschen Delegationschef die Frage zu stellen, warum Deutschland allen anti-israelischen Anträgen zugestimmt und den israelischen abgelehnt hätte.

„Wissen Sie“, bekam er zur Antwort, „Deutschland ist ein treuer Freund Israels. Am besten dienen wir Israels Interessen, wenn wir seinen Feinden nicht widersprechen, sondern versuchen, sie zu vernünftigen Lösungen zu bewegen. Seien Sie versichert, dass Deutschland auf Seiten Israels steht.“ 

 

Mein Kommentar zum heutigen Facebook-Beitrag des Ariella Verlags und der großartigen Myriam Halberstam:

 

Milano, 12.12.2019

 

Wie vor kurzem bekannt geworden ist, liebt der italienische Nationalistenführer und Afrikakritiker Matteo Salvini schwarze Schweizer Schokolade. Eine Ungeheurlichkeit! Völlig unitalienisch. Motta, Pavesi und Allemagna haben bereits mit Millionenklagen gedroht. Aus Insiderkreise erfahren wir, dass in diesen Minuten eine Krisensitzung der Partei stattfindet. Es wird beraten, welche Begründung der alarmierten Öffentlichkeit gegeben werden soll. Angeblich ist ein Streit darüber entbrannt, ob der Variante ghanesischer Schokoladenbetrüger oder ugandischer Schwarzmaler der Vorzug gegeben werden soll. Salvini selbst ist nicht anwesend. Er befindet sich auf einer Kreuzfahrt durchs Schwarze Meer. Über die Haar- und Hautfarben seiner Begleiterinnen ist nichts bekannt, doch soll er in großen Mengen Bleichmittel mitgenommen haben und dabei sein, die Schwärze aus dem Meer bzu waschen, um sich nicht weiteren Verdächtigungen auszusetzen.

 

Meine Satiren jeden Freitag in den ISRAEL NACHRICHTEN. Morgen lest Ihr über einen 'ganz normalen Tag in der UNO'. Nichts für schwache Lachmuskeln.

 

Herzliche Grüße und trinkt einen Grappa auf den Schreck, aber bitte nur aus weißen Gläsern aus Murano oder zur Not von Lidl Italia*

 

Die untenstehende Satire ist am 6.12,2019 in der Internet-Zeitung ISRAEL NACHRICHTEN erschienen. Der Besitzer, ein gewisser Dr. Dean Grunwald (den Doktortitel konnte ich im Internet nirgends finden) hat mir nach meiner Honorarforderung das Screenshot des Titelblatts, auf dem er die Satire groß angekündigt hat, unter Androhung einer Klage auf 50.000 Euro verboten. Er kassiert die Abonnementsgebühren, bezahlt den Autoren jedoch nichts und verschickt Hass- und Droh-E-Mails, die für sich sprechen, wenn Honorar verlangt wird. Ich habe in einer einzigen Woche 6 bekommen! Hier nur eines davon. Die zahlreichen Rechtschreibe- und Interpunktions-Fehler habe ich ausgebessert. Auf die Beleidigungen gehe ich nicht ein.

 

Herr Günsberg,

Ich habe soeben Ihren neuerlichen Eintrag auf Ihrer Webseite gelesen und mich köstlich über Ihre anscheinende Blödheit amüsiert. Es geht doch gar nicht darum, ob die Geschäftsführung Honorare an Autoren bezahlt oder nicht, es geht um Ihre Verdrehung von Tatsachen und schamlosen Lügen, die Sie medial verbreiten. Dass wir keine Honorare zahlen ist doch bekannt und ausführlich auf unserer Online-Ausgabe schriftlich dokumentiert und für jedermann einsehbar. Ihr Hinweis darauf, ist deswegen BUMM - wieder einmal ein von Ihnen geschossenes Eigentor - HaHaaHaaa! Ich frage mich ernsthaft wie bescheuert ein Mensch sein muss, der so kindisch reagiert und von einem Fettnapf in den anderen stapft? Hierzulande nennt man einen solchen Typen "Troubleshooter", auf Deutsch "Flexionsbeller", der wie ein Hund nach jedem Knochen schnappt, den man ihm hinhält und anbellt. Was solche Leute "Satire" nennen, ist in Wirklichkeit nichts anderes als eine fortgeschrittene Geisteskrankheit, die dringend behandelt werden sollte. Nun, auch ich freue mich auf Ihre "Gerichtssatire", die Ihnen wahrscheinlich im Halse stecken bleiben wird. Auf jeden Fall, wird es für Sie ein teurer Spass werden, dessen bin ich mir sicher!

MfG

Dr. Dean Grunwald

 

Hier die Satire, die ich Euch natürlich nicht vorenthalten möchte. Ihr könnt selbst entscheiden, wer an 'fortgeschrittener Geisteskrankheit' leidet. Viel Spaß dabei!

 

Alexander Günsbergs politische Satire:

Die neue israelische Ministerpräsidentin

 

Wie wir soeben erfahren, ist das lange Tauziehen um eine neue israelische Regierung endlich zu einem glücklichen Abschluss gekommen. Wir freuen uns, die Ersten zu sein, die der Öffentlichkeit die frohe Botschaft überbringen können. Die Türen des Sitzungssaals hier in Jerusalem, in dem die Parteien tagen, sind noch nicht geöffnet, das Resultat der Verhandlungen nicht bekanntgegeben und doch kennen wir es schon. Alles wartet neben uns gespannt auf die Parteispitzen, der Berg von Kameras und Mikrophonen wächst immer weiter an, die Atmosphäre ist zum Zerreißen gespannt. Medienvertreter aus aller Welt sind angereist, um zu erfahren, ob die Koalitionsverhandlungen erfolgreich waren, wie in diesem Fall der neue Ministerpräsident Israels heißt und welche Parteien die künftige Regierung bilden werden. Unserem Reporter Avi Schwerenöter ist es gelungen, eine als Haarspange getarnte Minikamera an Oischele Levi anzubringen, der äußerst aparten, aber verheirateten Chefin der linksliberalen Brückenbauerpartei. Sie wurde zu den Verhandlungen eingeladen, weil sie bei den letzten Wahlen dank eines Bündnisses mit der Arbeiterpartei einen Sitz in der Knesset ergattern konnte. Wie Avi Schwerenöter es geschafft hat, darüber schweigt die Höflichkeit des Gentleman und nichts liegt uns ferner, als Gerüchte zu verbreiten, die zu wilden Spekulationen unberechtigter Art Anlass geben könnten.

 

Langer Rede kurzer Sinn, der neue Ministerpräsident ist eine Frau! Es ist Ge’ula Even, die Gattin von Netanjahus innerparteilichem Rivalen Gideon Sa’ar, bekannt als die hübscheste und klügste Fernsehsprecherin und Journalistin zwischen Tel Aviv und New York. Erst letztes Jahr hat sie der Fernsehwelt den Rücken gekehrt, um ihren Mann im Rennen um den Posten des Kabinettchefs zu unterstützen. Jetzt wurde sie von der Königsmacherin selbst zum König, beziehungsweise zur Königin. Möglich wurde es, weil die beiden eigentlichen Kontrahenten um das höchste Regierungsamt im Lande Zions, der bisherige Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vom Likud und sein Rivale Benny Gantz vom Parteienbündnis Blau-Weiß in einem auf drei Runden angesetzten Boxkampf keinen Sieger ermitteln konnten. Zwar verpasste Gantz Netanjahu schon in der ersten Runde einen linken Haken, der ihn zu Boden schmetterte, doch der als Schiedsrichter fungierende Staatsanwalt Avichai Mandelblit zählte so langsam, dass Netanjahu sich nach gefühlten zwanzig Sekunden wieder erheben und weiterkämpfen konnte. In der zweiten Runde gelang es ihm seinerseits, Gantz mit einer geschickten Rechtskombination zu Fall zu bringen. Doch seine Anhänger jubelten zu früh. Nitzan Horowitz von der linksgrünen Demokratischen Union erklärte, der Kampf müsse weitergehen, bis Netanjahu die Nase gebrochen wäre, sonst würde er in keine Koalition eintreten. Zum Verdruss und Ärger der Likud-Vertreter gab daraufhin Mandelblit den Ring wieder frei. Oberschiedsrichter Re’uven Rivlin, der ebenfalls im Saal anwesend war, zeigte Mandelblit zwar die rote Karte, doch das ging im allgemeinen Getümmel unter. Zum Glück waren den Verhandlungsführern der Vereinten Liste die Wasserpistolen abgenommen worden, sonst hätte sich eine Seeschlacht entwickelt. Die dritte Runde verlief dann ohne besondere Höhepunkte, wenn man von einem Stuhlwurf absieht, der aber nur Justizministerin Ayelet Shaked von der Partei Jüdisches Haus am Knie traf. Zwar bat sie Mandelblit um sofortige Anklageerhebung gegen die Schuldigen, doch dieser erklärte, er habe nichts gesehen und gehört und könne nicht wahllos Parlamentsmitglieder verhaften lassen, zumal sich sogar Netanjahu auf freiem Fuß befände.

 

Beendet und für unentschieden erklärt wurde das Boxmatch von Rabbiner Jaakov Litzman, dem Vorsitzenden der orthodox-religiösen Agudat-Jisrael-Partei aschkenasischer Prägung. Er ging mit seinen Knickerbockerhosen in den Ring, warf seinen Pelzhut, den Spodik, hoch in die Luft und schrie „Oj Gewalt, oj Gewalt“. Der Lärmpegel verminderte sich etwas, sodass Rebbe Litzman erklären konnte, dass er als Gerer Chassid einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen zwei Juden nicht länger zusehen könne. Avigdor Lieberman von Israel Beteinu verlangte, Litzman solle ihm die Stelle in der Thora zeigen, wo das geschrieben stünde oder den Mund halten. Arje Deri, Vorsitzender der orthodox-religiösen Konkurrenzpartei Schas, die die sephardischen Gottesfürchtigen vertritt, kam dem Rabbiner zu Hilfe, der vor Aufregung kein Wort mehr herausbrachte. Er holte einen Talmudfolianten aus seinem Aktenkoffer, schlug ihn auf und las Liebermann die Stelle vor. Jaïr Lapid von Blau-Weiß schrie ihn an, als verurteilter Betrüger, der jahrelang im Gefängnis gesessen habe, sei er der Falsche, um Moralpredigten zu halten. Deri gab zurück, man sei nicht in der Habima, Lapid solle seine Theaterstücke anderswo aufführen, hier ginge es um Politik und da wäre alles erlaubt.

 

Endlich forderte Gideon Sa’ar das Amt des Ministerpräsidenten für sich. Im Falle seiner Wahl, so erklärte er, würde jede Partei im Parlament mindestens drei Ministerposten erhalten, und wenn dafür zwanzig neue geschaffen werden müssten. Ministerien für Schwangerschaftsverhütung im Alter, Entsalzung von Süßwasser, Hebräisch-Unterricht für neueingewanderte Kamele und andere unerlässliche Notwendigkeiten seien ohnehin längst überfällig. Diese Aussicht begeisterte alle und brachte den Durchbruch. „Sa’ar, Sa’ar, Sa’ar“ schrien die versammelten Parteibonzen. Nur Netanjahu blieb stumm wie ein Fisch mit gebrochenem Bein. Schon schien es, als wäre Sa’ar gewählt, da ging die geheime Hintertür des Saals auf. Sa’ars Ehefrau, besagte Ex-Fernsehmoderatorin Ge’ula Even stürmte erbost herein.  „Wo bleibst du, Gideon“, schrie sie ihren Allerliebsten an, „das Essen wird kalt! Glaubst du, ich koche umsonst?“ Nun erkannten die Politiker, wer der eigentliche Chef im Haus war. Sie hoben Ge’ula auf die Schultern, begannen Horra zu tanzen und riefen: „Wir haben einen neuen Ministerpräsidenten, hoch lebe Ge’ula!“

 

Ja, liebe Hörer von Radio Kol Mezies, wir sind froh und glücklich, Ihnen als Allererste die große Neuigkeit überbracht zu haben, mit allen Einzelheiten, wie es dazu gekommen ist. Wir verdanken es Avi Schwerenöter. Wir werden ihn für den Puschlewiczer-Preis vorschlagen. Sie wissen nicht, wer Puschlewiczer ist? Jedes Kind kennt ihn doch, den Freund von Chajim Hakapessik, unseres verehrten Chefredaktors. Und schon steigt weißer Rauch aus dem Kamin. Israel hat seinen neuen Papst. Es ist eine Päpstin. Nur in Rom und Jerusalem ist so etwas möglich!

 

 

Diese Satire ist am 2.12,2019 im Internetblatt ISRAEL-NACHRICHTEN erschienen. Der Besitzer Dr. Dean Grunwald (wie gesagt, den Doktortitel konnte ich nicht verifizieren) kündigte sie mit der Schlagzeile DER SCHRIFTSTELLER ALEXANDER GÜNSBERG SCHREIBT FÜR DIE ISRAEL-NACHRICHTEN auf dem Titelblatt groß an. Auf meine Honorarforderung hin bekam ich dann die oben erwähnten Hass- und Droh-E-Mails voller Rechtschreibefehler.

 

 

Alexander Günsbergs politische Satire:

Die Moskauer Palästina-Konferenz
Wladimir Putin als Friedensstifter

 

Wie wir eben erfahren, hat die Palästina-Friedenskonferenz, von der so viel gemunkelt wurde, letzte Woche tatsächlich in Kreml stattgefunden. Monatelange Verhandlungen hinter verschlossenen Türen waren nötig, um die Teilnehmer an den Konferenztisch zu bringen. Den Ausschlag sollen große Geldzahlungen aus dem russischen Staatsfonds zur Förderung geistig behinderter Kinder gegeben haben. Das ist aber nicht gesichert. Trotz strengster Geheimhaltung ist es unserem Moskauer Korrespondenten gelungen, eine Kopie des Tonmittschnitts zu ergattern. Hier seine Schilderung des Geschehens:

 

Teilnehmer der Konferenz waren neben dem russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin als Gastgeber sein amerikanischer Kollege Donald Trump, der britische Premier Boris Johnson, der französische Präsident Emanuel Macron, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, der türkische Präsident Recep Tayip Erdogan, der iranische Staatschef Hassan Rohani, Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und der Vorsitzende der niederländischen Freiheitspartei Geert Wilders. Letzterer vertrat den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu, der wegen einer Einvernahme durch Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit in der Korruptionsaffäre nicht abkömmlich war. Ich brauche keine Friedenskonferenz, sondern Ihre Aussage, soll Mandelblit Netanyahu erklärt haben, als er ihm die Reise nach Russland unter Strafandrohung verwehrte. Rechtsstaat bleibt Rechtsstaat.

 

Putin hatte den Rahmen für die Konferenz vorgegeben. Es wurden zwei Lager gebildet. Lager A, bestehend aus Abbas, Rohani und Erdogan, vertrat den palästinensischen Standpunkt, Lager B, bestehend aus Trump, Johnson und Wilders, den israelischen. Merkel und Macron mussten das Los ziehen. Es teilte die Deutsche Lager A und den Franzosen Lager B zu. Putin fungierte als Schiedsrichter, falls keine Einigkeit erzielt werden konnte. Er eröffnete die Konferenz, wurde aber schon nach wenigen Worten von Rohani unterbrochen. Dieser beantragte, die Staatsbezeichnung Israel durch zionistische Verschwörerbande zu ersetzen. Wilders widersprach heftig und verlangte die Ausweisung Rohanis aus dem Saal. Trump gefiel der Streit der beiden. Er strich seinen Blondschopf zurecht und feuerte sie mit den Worten an: „Gib ihm Saures, Wilders“ und „Nur nicht nachgeben, Rohani!“ – „Aber meine Herren“, versuchte Putin zu schlichten, „so kommen wir nicht weiter. Contenance, contenance, wenn ich bitten darf!“ Abbas ließ sich nicht beeindrucken und forderte den Rückzug der Israelis hinter die Küstenlinie von 1948. Keinen Quadratmeter palästinensischen Bodens würde er ihnen überlassen. Sie hätten in Palästina nichts verloren. Das Land sei schon seit einer Million Jahre palästinensisch. Die ersten Affen, die dort wohnten, seien Palästinenser gewesen. Israelische Affen hätte es nie gegeben.  Anderweitige Behauptungen seien eine Erfindung der Zionisten. Sie würden sich nicht scheuen, den Tempel Allahs in Jerusalem für sich zu reklamieren und alte Münzen auszugraben, die aber nur bestätigten, dass die jüdischen Könige Palästinenser waren. Im übrigen habe es gar keine jüdischen Könige gegeben und wenn doch, so waren es Flüchtlinge vor Judenverfolgungen, die ebenfalls nie stattgefunden haben. Trotzdem hätten sie die Verfolgungen verdient, denn Juden würden lügen, wenn sie den Mund aufmachen. Wer ließe sich das schon gefallen? Erdogan pflichtete ihm bei. „Ja“, meinte er, Abbas hat Recht, obwohl die ersten Bewohner Palästinas und des ganzen Planeten eigentlich Türken waren. Sie haben die Kurden vertrieben, die vor ihnen da waren.“ Das wurde Boris Johnson zu viel. „Seien Sie ruhig, Sie Brexit-Gegner“, schrie er Erdogan und Abbas an. Sie wollen doch nur Deutschland auf Ihre Seite ziehen, damit Großbritannien weiter unter dem französischen Joch bleiben muss!“ Macron, obwohl im selben Lager wie Johnson, widersprach: „Wir Franzosen unterjochen niemand“, sagte er und wollte wissen, was denn ein Joch überhaupt sei. Merkel erklärte es ihm: „Ein Joch ist ein Geschirr für Zugtiere“, sagte sie.  Macron verstand das falsch, stand auf, ging auf Merkel zu und meinte zu ihr: „Angela, das hätte ich von dir nicht erwartet. Dafür gehe ich heute mit Brigitte essen statt mit dir. Einen Gutenacht-Kuss bekommst du auch nicht. Das hast du jetzt davon!“ Endlich griff Putin durch. „Wer hat meinen Kugelschreiber?“, fragte er scharf in die Runde. Das wirkte. Alle erinnerten sich daran, wie er die Oligarchen gemaßregelt hatte, als sie eine Fabrik hatten schließen wollten. Kleinlaut reichte ihm Macron seinen Kugelschreiber. Putin räusperte sich. „Kommen wir endlich zum Schluss“, forderte er, „wer für Frieden ist, soll die Hand heben!“ Wilders, Trump, Macron und Merkel taten es gleich, die drei anderen erst, als Putin sich zu ärgern begann. Seinen Ärger wollte niemand zu spüren bekommen. Gift ist nicht sehr bekömmlich und man war schließlich im Kreml. Da lauerten Putins Agenten überall. Verkappte Juden, dachten sie, trauten sich aber nicht, es auszusprechen. Der Meister zeigte seine Zufriedenheit nicht und verlangte von allen die Unterschrift des Sitzungsprotokolls. Er hatte es im Voraus aufsetzen lassen und zog es jetzt aus seiner Aktentasche. Alle unterschrieben, sogar Trump. Er hatte sowieso keine Zeit mehr. Melanie hatte ihm befohlen, rechtzeitig zum Abendessen in New York zurück zu sein. Sonst würde sie ihm beim anstehenden Besuch des Papstes zum zweiten Mal in aller Öffentlichkeit die Hand nicht reichen, was seine Chancen auf eine Wiederwahl auf den Nullpunkt sinken ließe, dessen war er gewiss.

 

Begossen wurde der Erfolg der Konferenz aus den bekannten Gründen mit russischer Schafmilch. Alle umarmten sich und beglückwünschten einander. Was im Protokoll steht, wird Präsident Putin bei seinem nächsten Besuch in Jerusalem der Weltöffentlichkeit mitteilen. Man darf gespannt sein.

 

 

Die politische Satire

 

Die Nahost-Friedenskonferenz 

von unserem Sonderkorrespondenten in den USA Alexander Günsberg

 

Washington D.C. 19.11.2018. Aus gutunterrichteten Kreisen sind Details der israelisch-palästinensischen Friedenskonferenz bekannt geworden. Wie gemeldet, hat sie letzte Woche hinter verschlossenen Türen in Camp David stattgefunden und nach Angaben der US-Pressesprecherin fast den Durchbruch gebracht. Gemäss ihrer Erklärung vom letzten Donnerstag sei der Friedensplan von Präsident Trump grösstenteils auf Zustimmung gestossen. Nur noch wenige, unbedeutende Punkte blieben zu klären. Ohne Einzelheiten zu nennen, hatte sie verlauten lassen, die erzielten Fortschritte wären so gross,

dass die endgültige Beilegung des seit vielen Jahrzehnten anhaltenden Konflikts nur noch eine Frage der Zeit wäre. All das stelle den Erfolg der Politik von Präsident Trump unter Beweis. Nun sind gewisse Einzelheiten durchgesickert. Die Konferenz wäre vom US-Sonderbeauftragten Jared Kushner geleitet worden. Israel wäre durch den designierten Verteidigungsminister Motti Dajan aus Degania und den neuen stellvertretenden Ministerpräsidenten Ari ben Gurion aus Sde Boker, die palästinensische durch den Hamas-Raketenchef Mohamed el Ainin aus Kairo und den PLO-Propagandaminister Jussuf al Göbbel aus Damaskus vertreten gewesen. Beide würden den gemässigten Fraktionen ihrer Parteien angehören, el Ainin, weil er einen Stopp der Raketenangriffe auf Israel befürworte, sobald keine Juden mehr in Israel lebten und al Göbbel, weil er infolge der in der in Ramallah entstandenen Messerknappheit für einen Unterbruch der Messerattacken auf Israelis eintrete. Jared Kushner hätte zuerst den lange geheim gehaltenen Friedensplan von Präsident Trump vorgestellt. Demnach würden die USA Jerusalem auch als Hauptstadt des neuen Staates Palästina anerkennen, sofern die Araber bereit wären, die Stadt zu verlassen, die Moscheen auf dem Tempelberg abzubrechen und in der saudiarabischen Wüste wiederaufzubauen. Kronprinz und Regierungschef Mohamed bin Salman hätte eingewilligt, den Palästinensern ein unbewohntes Gebiet in der doppelten Grösse Israels als Staatsgebiet zu überlassen und alle Arbeiten inklusive dem Bau neuer Städte und der gesamten Infrastruktur mit einem Betrag von 10 Billionen Dollar zu finanzieren, wenn die Bank Rothschild & Cie. hiefür einen zinslosen, nicht rückzahlbaren Kredit gewähre. Die palästinensischen Unterhändler hätten diesen Plan sofort mit der Bedingung angenommen, dass auch alle Juden aus Jerusalem abzögen und das übrige Gebiet Palästinas verliessen. Der russische Präsident Putin hätte ihnen versichert, sie seien im autonomen jüdischen Siedlungsgebiet Birobidschan willkommen, wenn sie die Kosten der russischen Kriegsführung in der Ukraine während zwanzig Jahren übernähmen und der russischen Armee kostenlos die Ausrüstung lieferten. Die israelischen Konferenzteilnehmer lehnten dies ab, woraufhin die palästinensischen den Saal verliessen, den Israelis die Schuld am Verhandlungsabbruch gaben und neue Raketen- und Messerangriffe auf die israelische Zivilbevölkerung ankündigten. Am nächsten Tag kehrten sie jedoch an den Konferenztisch zurück und brachten als Zeichen ihres guten Willens Falafel und Humus mit. Die Israelis griffen zu und liessen ihr Leben an dem darin enthaltenen Arsenpulver. Sie müssen nun nur noch durch andere Teilnehmer ersetzt werden, was die US-Pressesprecherin zu den genannten Hoffnungen auf einen Durchbruch berechtigte. Weitere Berichte folgen, sobald die Verhandlungen zum Abschluss gekommen sind. In hundert Jahren dürfte es soweit sein. Vielleicht dauert es aber auch ein bisschen länger.

Bericht vom Mars:

 

Der Aussenseiter Dagobert Trumpf folgt auf Ben Banana als amelianischer Präsident.  Die Favoritin Daisy Dick unterliegt klar.

 

von unserem Mars-Sonderkorrespondenten Alex Günsberg

 

New Washington, 12. Januar 2017. Die vor kurzem stattgefundenen Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten von Amelien, dem mächtigsten Land des Planeten Mars, wurden überraschend vom als Aussenseiter geltenden Kandidaten Dagobert Trumpf gewonnen, dem bekannten Milliardär, Playboy und Immobilienmogul, dessen mit Gold, Diamanten und Devisen prall gefüllter Panzerschrank grösser als so manches Bankgebäude ist, wie jedes Kind weiss. Doch leider beschränkt sich seine politische Erfahrung auf eine innige Freundschaft mit Wasteljuk Puckin, dem ebenso begüterten Präsidenten von Russanien, dem zweitmächtigsten Staat des Planeten Mars. Seine Rivalin Daisy Dick, die ehemalige Aussenministerin von Amelien, die allgemein als Favoritin gehandelt wurde, bekam zwar zwei Millionen Stimmen mehr als ihr Rivale, verlor die Wahl jedoch aufgrund der geringeren Anzahl Wahlmänner, die sie von sich einnehmen konnte. Dies ganz offensichtlich, weil sie in die Jahre gekommen war und den ganzen Liebreiz eingebüsst hatte, der sie früher ausgezeichnet hatte. So sind Männer halt nun einmal. Wenn sie zwischen einem blonden Playboy-Milliardär und einer alten Ex-Aussenministerin wählen müssen, so entscheiden sie sich ganz klar für den blonden Playboy-Milliardär. Das hätte ihre Partei, die demokratische Marsallianz, wissen müssen, bevor sie Daisy Dick in die Schlacht schickte. Ein junges, hübsches Fotomodell hätte zweifellos mehr Chancen auf den Sieg gegen Dagobert Trumpf gehabt. Doch so ist das eben in der Demokratie. Jede Million zählt und davon hatte Daisy Dick mehr als die jungen Dinger. Zudem wurde sie vom abtretenden Präsidenten Ben Banana unterstützt, der Amelien in seiner achtjährigen Amtszeit von einem Desaster ins andere gestürzt hatte, doch vor allem bei den weiblichen Wählern mittleren Alters wegen seines Charmes und seines Witzes überaus beliebt war. Die Unterstützung durch Ben Banana war denn auch ihr grösster Trumpf, doch er genügte nicht, um Dagobert Trumpf zu übertrumpfen. Trumpf sticht eben immer, besonders wenn er Dagobert heisst, einen riesigen Panzerschrank besitzt und so grosse Hochhäuser baut, dass man von ihrer Spitze auf die gute alte Erde hinabsehen kann, die ja leider, wie wir alle wissen, vor nicht allzu langer Zeit das Zeitliche gesegnet hat und an Überhitzung gestorben ist! Da die Amelianer gerne lachen, lachten sie am besten über den Witz ihrer letzten Wahlen. Eine Pointe folgte auf die andere, wobei sich die beiden Kandidaten in nichts nachstanden. Während Daisy Dick fröhlich lustige Staatsgeheimnisse aus ihrer Zeit als Aussenministerin über ihren privaten e-mail-Server in alle Welt hinausposaunte, scherzte Dagobert Trumpf ausgiebig über Frauen, Behinderte und Aussermarsianer. Wie gesagt, es war wirklich zum Lachen. Der lustigere Kandidat gewann die Wahl schliesslich und das ist nur gerecht, denn in den Vereinigten Staaten von Amelien zählen Witz und Spott mehr als alles andere, natürlich neben dem Mammon, dem Geld, der Knete oder auch dem Zaster, wie die Amelianer sich auszudrücken belieben. Nachdem sich das allgemeine Gelächter über die lustigen Wahlen und die lustigen Kandidaten etwas gelegt hatte, begann die Besetzung der Minister- und anderer wichtiger Posten durch den neuen Präsidenten. Dabei zeichnete er sich durch Stil und Geschmack und wiederum Witz aus, denn er ernannte durch die Bank Milliardärskollegen, Generäle und Familienmitglieder, allen voran seinen Schwiegersohn Kared Jushner, der schon seiner Wahlkampagne zum Sieg verholfen hatte und sich somit bestens für die Gestaltung der künftigen Marspolitik Ameliens qualifiziert hatte. Bereits kündigte Jushner an, das von Ben Banana geschlossene Luftreinhalteabkommen würde aufgekündigt, um die Gewinne der amelianischen Industrie zu erhöhen und neue Milliardäre zu schaffen, die in Zukunft einmal den Staatpräsidentenposten von Dagobert Trumpf übernehmen könnten. Denn nichts qualifiziert einen Politiker in Amelien mehr als Milliarden und Witze, wie bereits ausgeführt. Das ist kein Witz, auch wenn es wie ein Witz tönt. Trotzdem darf darüber gelacht werden! Denn schliesslich leben wir ein einem freien Land und nicht in Russanien, Turkanien, Hungarien, Syranien, Iranien, Koreanien oder einem der vielen anderen, landschaftlich ausserordentlich schönen Staaten des Planeten Mars, deren Herrscher dem lieben Gott Konkurrenz machen wollen, obwohl sie nichts anderes als Witzfiguren sind. In diesem Sinne wünsche ich all meinen Lesern ein fröhliches Gelächter und bleiben Sie mir gesund, damit sie noch auch meine nächsten Berichte vom Mars lesen können und sich nicht nur mit dem heutigen begnügen müssen, den ich am 65. Jahrestag meiner Geburt in etwas ausgelassener Stimmung verfasst habe. Deswegen bitte ich auch die vorgenannten Herrscher, mich nicht mit Bannflüchen, Fatwas oder sonstigen Todesurteilen zu belegen, sondern mich noch zwei oder drei Jahre am Leben zu lassen, da meine Kinder ihren Vater noch brauchen und meine Leser ihren Autor. Was würden sie sonst mit ihren Mussestunden anfangen?

Gefilte Fisch

 

zu- und aufbereitet von Alexander Günsberg

 

Die Redaktion hat mich gebeten, über etwas Jüdisches zu schreiben. Also habe ich mich gefragt, was jüdisch ist und über welches jüdische Thema es sich zu schreiben lohnt. Fallafel entstammen der arabischen Küche, Moses war höchstwahrscheinlich Ägypter, Whoopi Goldberg ist Katholikin und Bobby Fischer war Antisemit. Das alles fällt schon einmal ausser Betracht. Jesus war zweifellos jüdisch, doch was hat er uns gebracht? Nichts als Zores. Auch Einstein war jüdisch, doch sein Nobelpreis wurde Deutschland zugeschrieben und israelischer Staatspräsident wollte er auch nicht werden. Also auch nichts. Siegmund Freud war jüdisch, hat uns aber allen Komplexe eingeredet. Alfred Dreyfus war jüdisch, wurde dafür aber viele Jahre auf die Teufelsinsel verbannt. Harrison Ford, Michael Douglas und Steven Seagall sind jüdisch, aber kein Mensch glaubt es uns. Es verbleibt nur eins, was jüdisch ist, worüber sich alle einig sind und es sich zu schreiben lohnt: Gefilte Fisch! Niemand zweifelt an, dass gefilte Fisch jüdisch sind. Oder glauben Sie etwa, die Wun tun-Suppe sei eine italienische Spezialität? Also will ich Ihnen eine Geschichte über gefilte Fisch erzählen. Sie hat sich im Glatt-Koscher-Restaurant von Chajim Rosenthal in Brooklyn zugetragen, das den schönen Namen Martef Chajim trägt, was soviel wie Chajims Keller heisst. Warum der Besitzer es so genannt hat, ist mir völlig unerklärlich, liegt es doch im Erdgeschoss an einer vielbefahrenen Strasse, direkt neben der Buchhandlung Or Chadasch, was soviel wie neues Licht bedeutet. Auch dieser Name ist unpassend, denn nur wenig Helligkeit herrscht in dem dunklen Lokal, in dem hauptsächlich Talmudbände und Machsorim, Sie wissen schon, jüdische Gebetsbücher, verkauft werden. Dazu braucht es nicht viel Licht, denn die meisten Käufer behaupten ohnehin, die Texte auswendig zu kennen, auch wenn sie sie kaum je gelesen haben. Aber in einer jüdischen Bibliothek dürfen sie nicht fehlen, sonst könnten Besucher Gott behüte glauben, die Leute wären gar keine richtigen Juden, zumindest keine frommen, was praktisch auf dasselbe hinausläuft. Aber wir schweifen vom Thema ab. Zurück zu den gefilten Fisch und dem, was sich diesbezüglich in Chajims Kellerrestaurant im Erdgeschoss abgespielt hat. Zwei Gäste hatten sie bestellt, die besagten gefilten Fisch. Sie sassen an benachbarten Tischen. Der eine hiess Moische Löffelstein und stammte aus Ungarn, der andere war ein polnischer Jude namens Pinchas Warschawski. Äusserlich konnte man sie gut daran unterscheiden, dass der eine, Moische Löffelstein, einen kurzgeschnittenen schwarzen Bart hatte und seine Zizis unter der speckigen schwarzen Jacke trug, während der andere, Pinchas Warschawski, einen viel längeren schwarzen Bart besass und die Zizis über der speckigen schwarzen Jacke trug. Die beiden kannten sich offenbar. Während des Essens entspann sich folgendes Gespräch:

 

Moische L: «Reb Pinchas, dos sennen nischt ka richtige gefilte Fisch. Do fehltde Paprika.»

Pinchas W: «Nu, Reb Moische, host di noch nie gegessen a poilische Fefferfisch»?

Moische L: «Reb Pinschas, wemen interessiert a poilische Fisch? Mir sennen doch nischt in Lodz».

Pinchas W: «Ojojoj, wus hat man Mame gemacht gite Fefferfisch vin Lodz. A mechaje»!

Moische L: «Bist Di meschigge geworn, Pinchas? Dan Mame hot gemacht gefilte Fisch mit Feffer? Dos is doch Gojim naches! Gefilte Fisch miss ma machen mit Paprika, dus weiss a jedes Kind».

Pinchas W: «Wer isst schon gefillte Fisch mit Paprika, Chajim? Nur de Madjaren, de chaserim».

 

Diese Beleidigung war für den Angesprochenen zuviel. Einen frommen ungarischen Juden ein Borstentier zu nennen, den Inbegriff von trefener Unkoscherheit, ging entschieden zu weit. Jedenfalls war es mehr, als Moische L. ertragen konnte. Er sprang auf, wobei der Stuhl laut krachend umfiel, ging zum Nachbartisch, nahm den Teller von Chaim W. und leerte den Inhalt über dessen Kopf aus. Der so Begossene liess sich das nicht gefallen und schüttete Pinchas L. den Becher süssen Rotweins mitten ins Gesicht. Glitschiger Fischsulz und mit Zucker angereicherter Traubensaft rannen den beiden über Kippas, Bärte und Zizis. In in Chajims Glatt-Koscher-Restaurant entstand ein heftiger Ringkampf. Chajim Rosenthal kam auch sogleich aus der Küche gerannt und versuchte, die beiden Kampfhähne zu trennen, was ihm jedoch nicht gelang. Vielmehr ging er auch selbst zu Boden. Die männlichen Gäste sahen dem Schauspiel belustigt zu und gaben fachmännische Kommentare ab, etwa „Moische wird gewinnen“ oder „Pinchas hat die längere Reichweite“, während die weiblichen lauthals zu schimpfen begannen. Das Ganze endete erst, als Rabbiner Dr. Elias Grünspan, die absolute Autorität von Brooklyn in religiösen Fragen, das Lokal betrat. Kaum wurden die beiden Ringkämpfer seiner gewahr, umarmten sie sich brüderlich, wischten sich gegenseitig Kippas, Bärte und Zizis ab, hoben die nun allerdings leeren Teller vom Boden auf, stellten die umgefallenen Stühle wieder auf und setzten sich brav an ihre Plätze zurück, so als ob nichts gewesen wäre. Chajim, der Restaurantbesitzer, beförderte die am Boden liegenden gefilten Fisch mit einer gekonnten, äusserst eleganten Fussbewegung in eine Ecke, begrüsste den hohen Gast ehrfurchtsvoll und nahm seine Bestellung entgegen: Natürlich Gefilte Fisch, was denn sonst? Jetzt wissen Sie, was ohne jeden Zweifel jüdischer ist als alles andere und worüber es sich zu schreiben lohnt, liebe Leser: Gefilte Fisch! Guten Appetit und vergessen Sie nicht, sich am nächsten Schabbes die Predigt des Rabbiners in der Synagoge anzuhören, auch wenn Sie nicht in Brooklyn wohnen und noch nie in Chajim Rosenthals Restaurant waren, was Sie bei Ihrem nächsten Besuch in New York unbedingt nachholen sollten. Die Adresse brauchen Sie sich nicht zu notieren. Fragen Sie einfach den erstbesten Juden, den Sie auf der Strasse treffen, nach dem Restaurant mit den besten gefilten Fisch!

Die Simplicisten

 

von Alexander Günsberg

 

Wie einfach ist doch die Welt, wie simpel sind alle Probleme zu lösen! Nehmen Sie zum Bespiel den Krieg in Syrien. Putin schmeisst Bomben auf die Opposition, Obama auf Asad, die Kurden auf den IS, der IS auf die Iraker, die Schiiten auf die Sunniten und umgekehrt, die Iraner auf die Saudis, der Hizbollah auf die Zivilisten, die Hamas auf die PLO und schon sind alle tot und der Konflikt begraben. Oder die Bundespräsidentenwahlen in Österreich. Nach vier Anläufen steht eines sicher fest, nämlich dass ein Bundespräsident total überflüssig ist und sein Gehalt besser zur Beschaffung neuer Galauniformen für das Bundesheer verwendet würde, damit die Soldaten endlich einen guten Eindruck beim Tanz mit den bildhübschen Debütantinnen am Wiener Opernball machen. Oder die Sache mit den leidigen Immigranten in Europa aus Afrika und Westasien. Macht es wie Orban, schliesst die Grenzen und lasst sie verhungern. Die ganze Lebensmittelhilfe der EU wird eingespart, Millionen fliessen in die Staatskassen zurück und Audi und VW setzen damit zu neuen Dieselflügen an. Wie herrlich ist doch die Welt! Ganz besonders, wenn man Türke ist und Erdogan wählt. Der verhindert, dass der Benzinpreis in seinem schönen Land über drei Euro pro Liter steigt und lässt alle Staatsanwälte, Polizisten, Journalisten und Oppositionspolitiker einsperren, damit sie nicht zu viel von dem kostbaren Treibstoff verbrauchen. Freundin Marine Le Pen im Frankenland sonnt sich derweil im Glanz des künftigen Ruhms, will alle, nur nicht die Ausländer und sonstigen Schmarotzer in ihr leckes Boot holen, mit dem sie Frankreich über die Wogen aller Gefahren zu steuern gedenkt. Den Gipfel der Glückseligkeit aber beschert uns Donald Duck aus dem wunderbaren Disneyland. Er beglückt uns mit seiner hübschen Tochter Ivana, die uns täglich herrliche Dinge vorduckt, besser gesagt vortrumpt. Ja, so einfach kann die Welt sein, wenn man nur auf Putin, Orban, Erdogan, Le Pen, Trump oder die österreichischen Bundespräsidentenkandidaten hört. Hoch leben die Simplicisten!

Der Mischmosch

 

von Alexander Günsberg

 

Für die wenigen Leser dieser Zeitung, die nicht wissen sollten, was ein Mischmosch ist oder das Buch von Hans J. Aumann über dieses eigenartige Wesen nicht gelesen haben, gebe ich Ihnen hier ein Beispiel eines solches Wanderers zwischen den Welten, nämlich mich selbst. Das trifft sich gut, denn so kann ich mich Ihnen gleich bei meinem ersten Beitrag für diese Kolumne so vorstellen, dass Sie mich am Ende dieser kurzen Beschreibung besser kennen als ich mich selbst. Genetisch gesehen bin ich gar kein Mischmosch, denn mein Vater und meine Mutter, Gott hab‘ sie selig, waren beide Juden, also im damaligen deutschen Sprachgebrauch keine richtigen Menschen, sondern Ungeziefer. Deswegen mussten sie fliehen, meine Mutter aus Ungarn, mein Vater aus Wien. Doch wenn man mein Leben näher betrachtet, so bin ich doch ein

Mischmosch, denn ich habe eine Schweizer Jüdin, eine deutsch-französische und eine italienische Katholikin, eine Schweizer Protestantin und schliesslich eine russisch-orthodoxe Ukrainerin geheiratet und mit ihnen sechs oder sieben Kinder gezeugt, ganz sicher bin ich mir da nicht, die den verschiedensten Religionen angehören, aber deren Herzen, dem Ewigen sei es gedankt, alle für Israel schlagen, dem einzigen Staat auf der Welt, in dem Juden keine Juden sind, wie der grosse Wiener Kabarettist Karl Farkas treffend gesagt hat. Nun, meine Eltern trafen und verliebten sich in der Schweiz, heirateten und wurden ausgewiesen, nachdem sich die Sache mit den Ungeziefern erledigt hatte. Sie lebten zuerst in Italien, wo sie genug Geld verdienten, um alte Lastwagen zu kaufen und damit im wiedererstandenen Staat der nichtjüdischen Juden ein Speditionsunternehmen zu eröffnen. Leider befand sich dieser Staat jedoch gerade in einem Krieg, sodass die Lastwagen vom Militär konfisziert wurden und sich das Speditionsunternehmen ebenfalls erledigt hatte. Nach so vielen Misslichkeiten beschloss mein Vater, nach Italien zurückzukehren und Autorennen zu fahren. Doch auch dort hörten die Misslichkeiten nicht auf. Nach einem Zwischenfall mit einem sizilianischen Au pair-Mädchen, dessen Bruder ihn mit dem Tod bedrohte, sollte er seine Schwester nicht ehelichen und das Kind in ihrem Bauch nicht als das seine anerkennen, übersiedelte mein Vater wieder nach Wien, da er schon verheiratet war und bereits zwei Kinder hatte, wovon ich eines war. In der alten Kaiserstadt gründete er mit anderen das Österreichische Fernsehen, managte den Box-Europameister Laszlo Papp und organisierte das beliebte Jekami (‚Jeder kann mitmachen‘), bei dem viele spätere Film- und Fernsehstars zum ersten Mal auftraten, manche von ihnen auch zum letzten Mal. Letztere wurden jedoch keine Stars, sondern machten sich sonst anderweitig unnützlich für die Republik. In der Zwischenzeit war ich herangewachsen und vom Italiener zum waschechten Wiener geworden, der seine Zeit auf dem Fussballplatz, im Gymnasium und auf Skilagern verbrachte, manchmal aber auch im Theater, was mir die Liebe zur Dramatik und Nostalgie und zum Geschichtenerzählen eingepflanzt hat. Mein Vater hatte in zweiter Ehe eine blonde, streng evangelische und gegen ihren Erzeuger rebellierende Nazitochter geheiratet, wollte nach der Erfahrung mit der Ungeziefervertilgung von seinem Judentum nichts mehr wissen und bezeichnete mich auf allen Dokumenten als o.B., was so viel wie ‚ohne Bekenntnis‘ hiess. Deswegen mussten sich die immer noch existierenden Ungezieferjäger vor mir nicht verstellen, sodass ich mich im zarten Alter von dreizehn Jahren in einen Zug setzte und zu meiner Mutter nach Zürich fuhr. Als religiöse Jüdin war sie die neue Chassene mit dem Präsidenten des nationalen Makkabiverbandes eingegangen. Also Sie sehen schon, ich hatte die besten Voraussetzungen, um ein Mischmosch zu werden. Mehr von mir erzähle ich Ihnen heute nicht, denn sonst würde meine Redakteurin diesen Bericht sicher kürzen und dann würden Sie noch weniger von mir wissen. Lesen sie einfach meine Bücher ‚Geschichten von Liebe, Krieg und Schach‘, ‚Vom Teufel und von der Liebe‘ und ‚Wiener Geschäfte‘. Da steht alles, was Sie interessiert, wenn Sie nicht ganz meschugge sind. Geben Sie aber bitte das letzte Buch nicht Ihren in Liebesdingen noch unerfahrenen Sprösslingen. Sie könnten sonst frühreif werden. Bis zum nächsten Mal und bleiben Sie mir gesund, um es mit Karl Farkas zu sagen!